Die Gründung und Entwicklung des deutsch-Französischen Hochschulinstituts (DFHI)
von Prof. Rainer Reisel
Am 15. September 1978 wurde in Aachen im Rahmen der Deutsch-Französischen Gipfelkonsultation durch den französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing und den deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt das Abkommen über die Errichtung des Deutsch-Französischen Hochschulinstituts für Technik und Wirtschaft (DFHI) unterzeichnet. Zum ersten Mal wurde damit auf Hochschulebene eine Vereinbarung getroffen, die deutschen und französischen Studenten im Rahmen eines gemeinsamen Studienganges den Erwerb von zwei nationalen Diplomen ermöglicht, um sie für eine berufliche Tätigkeit in beiden Ländern zu qualifizieren. Die Anstöße zur Gründung des DFHI gehen auf das Jahr 1968 zurück. Damals forderten die Kommunalpolitiker Ost-Lothringens die Errichtung eines Institut universitaire de technologiein Sarreguemines, das in einem 2-jährigen Studiengang zweisprachige Nachwuchskräfte ausbilden sollte. Die noch vorhandene Zweisprachigkeit der Bevölkerung wollte man nutzen, um Führungskräfte für sich in Ostfrankreich niederlassende deutsche Unternehmen auszubilden bzw. für französische Firmen, die auf dem deutschen Markt waren oder tätig zu werden beabsichtigten. Nach jahrelangen Verhandlungen unter Zugrundelegung von verschiedenen Modellen und Finanzierungsalternativen kam man jedoch zu dem Ergebnis: Zweckdienlich und realisierbar ist ein Institut, das in die beiden Hochschulsysteme integriert ist. Damit wurde die Vorstellung, ein selbständiges binationales Institut zu gründen, aufgegeben. Im Französischen hieß das DFHI Institut Supérieur Franco-Allemand d’Economie et de Techniques de Sarreguemines, abgekürzt ISFATES. Der Buchstabe ‘S’ am Ende stand für ‘Sarreguemines’. Das ‚S’ steht heute für ‚Sciences’ = ‚Naturwissenschaften’. Nach Artikel VI des Regierungsabkommens ist das DFHI eine Einrichtung der Universität Metz, die im Einvernehmen mit der Fachhochschule des Saarlandes, heute Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), eine Satzung erarbeitet, die einen paritätischen Charakter hat. Neben der Doppelimmatrikulation der Studenten wird der binationale Charakter des Studiums und des Instituts dadurch gewährleistet, dass alle Leitungsgremien mit einer gleichen Anzahl von deutschen und französischen Vertretern besetzt sind. Die eigentlichen Verhandlungen zur Errichtung des DFHI begannen 1975. Einige Persönlichkeiten, die zum Erfolg des Vertragsabschlusses beigetragen haben, sollen an dieser Stelle erwähnt werden. Französischerseits waren dies: J.J. Meysembourg, Präsident des ostfranzösischen Wirtschaftsförderungsverbandes CELOR (er wurde 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet),der Abgeordnete der Nationalversammlung Seitlinger, der Bürgermeister von Saargemünd Pax,die Universitätspräsidenten von Metz, Ferrariund David,und andere. Deutscherseits waren dies die beiden ehemaligen Rektoren der HTW, Groh und Warnking, Oberregierungsrat Hauch, Beauftragter der saarländischen Regierung für Saar-Lor-Lux Fragen, Schröder, Ministerialrat a.D. vom Bonner Büro des Bevollmächtigten für die deutsch-französischen Kulturbeziehungen, und andere. Über die Probleme, die einer Lösung bei unterschiedlichen Hochschulorganisationen in beiden Ländern zu einer Gemeinsamkeit führen mussten, ist eine Studie von Robert H. Schmidt1983 erschienen, und zwar in der Reihe Veröffentlichungen der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Band 149, Sonderdruck, die sich ähnlich wie ein Kriminalroman liest. Mit der Aufnahme des Studienbetriebes 1978 existierten die Fachrichtungen Betriebswirtschaftslehre, Elektrotechnik und Maschinenbau. In den 80-iger Jahren kamen hinzu Informatik, Schwerpunkt Künstliche Intelligenz, und Bauingenieurwesen, das in Europäisches Baumanagement umbenannt wurde, da neben der Universität Metz die Universität von Luxemburg als neuer Partner hinzugewonnen wurde. Der Studiengang Logistik wurde 2002/2003 eröffnet. Die Studiendauer für die deutschen und französischen Studenten wurde auf 2 Jahre festgelegt, erstes Jahr in Saarbrücken und zweites Jahr in Metz. Voraussetzung für die Aufnahme ins DFHI war für deutsche Studenten das bestandene Vordiplom und für die Franzosen das DEUG (Diplôme d’Etudes Universitaires Générales) und andere französische Diplome nach Abitur + 2 Jahre Studium. Nach erfolgreichem Abschluss des Studiums erhielten die Studierenden das Diplom der FH (HTW), die französische Licence, die in den 80-iger Jahren durch die Maîtriseersetzt wurde, und ein Zeugnis des DFHI, das den bi-nationalen Charakter der Ausbildung zum Ausdruck brachte. Die französische Licenceverbrieft eine Studiendauer von 3 Jahren, tatsächlich wurde aber 4 Jahre studiert, so dass der französische Abschluss korrekterweise in Maîtriseumgewandelt wurde. Damit wurde den Absolventen die Möglichkeit einer Promotion an französischen Universitäten eröffnet. Im Jahre 2002/2003 wurde die Studiendauer umgestellt, und zwar erfolgt die Bewerbung zum DFHI schon nach dem Abitur und dauert wie viele andere Studiengänge in beiden Ländern 8 Semester. Hier ergab sich das Problem, dass das Regierungsabkommen nur eine Studiendauer von 2 Jahren vorsah. Man einigte sich regierungsamtlich, Veränderungen von Studiendauer und Einführung neuer Studienrichtungen sollen beide Hochschulen vertraglich, also intern, regeln. Dieser Vertrag wurde im Jahr 2003 abgeschlossen, das Regierungsabkommen vom 15.9.1978 blieb unverändert in Kraft. Der Bologna-Prozess zwang auch das DFHI, die Studien nach angelsächsischem Vorbild neu zu organisieren: den Bachelor-Abschluss nach 3 Jahren und den anschließenden Master-Abschluss in 2 Jahren, also insgesamt 5 Jahre Studium. Die Umstellung ist erfolgt im Jahre 2005/2006. Es werden folgende Abschlüsse verliehen: Bachelor/Licence, nach dem 6. Semester als gemeinsamer Abschluss der beiden Hochschulen; der Masterabschluss nach weiteren 4 Semestern ebenfalls als gemeinsamer Abschluss der beiden Hochschulen. Erstmals in der Geschichte der deutsch-französischen Hochschulkooperationen werden durch das DFHI nicht mehr wie bisher das Diplom der Universität Metz und das Diplom der HTW (Doppeldiplomierung) sondern gemeinsame Abschlüsse. Den beiden Abschlüssen Bachelor und Master wird nach dem 6. bzw. 10. Studiensemester der jeweilige binationale Abschluss der Deutsch-Französischen Hochschule (DFH) hinzugefügt.